In dieser Trainingswoche hat das Aprilwetter seinem Ruf alle Ehre gemacht. Vor sieben Tagen ging es noch mit kurzer Hose und Shirt durch die Heiden, gestern hatte ich mein Winteroutfit (2x Buff, lange dickere Hose, dickes Oberteil, Jacke, dünne Regenjacke) an. Der erste Schritt aus der Haustüre sorgt da meist im Kopf für die folgenden konditionierten Worte: „Och nö!“ oder „Nicht so richtig viel Bock!“ und „Na komm schon. Es steht auf dem Plan!“ Nach ein paar Minuten sind diese Worte auch schon hinausgeschwitzt. Gestern war ein Intervalltraining angesagt. Heißt 7 x 6 min mit einer Pace von 3:56 min. Dazwischen 2 min. Trabpause (ich habe gemogelt; ich habe 3 min. daraus gemacht) Um es sich noch besser vorstellen zu können: Pro Intervall kommen gute 1,5 km zusammen. Die Intervalle sind immer wieder hart und nach der ersten Hälfte muss man sich selbst hier und da ein wenig tadeln um dem Teufelchen auf der Schulter nicht nachzugeben. Das Beelzebübchen ist nämlich sehr gechillt: „Wenn du etwas langsamer bist, ist das doch auch nicht schlimm. Hetz´ dich doch nicht so. Fünf Intervalle reichen doch auch aus.“ Am gestrigen Tag sorgte der Wind auch noch für Verstärkung dieser Gedanken. Bei Gegenwind wurden aus den 3:56 min/km plötzlich bis zu 4:28 min/km. Und das über eine längere Strecke. Der Wind hatte auch etwas für Humor übrig, denn auf dem Rückweg hat er sich öfters ausgeruht oder wollte für Abwechslung sorgen und drehte seine Richtung. Naja, ich habe es überstanden und auch wenn die Zahlenwerte auf meiner Uhr nicht immer mit denen auf dem Trainingsplan übereingestimmt haben, so waren die Anstrengung – und damit hoffentlich auch der konditionelle Fortschritt – die gleichen.

Und nein! Das hat nur indirekt mit der Überschrift meines Beitrags zu tun. Solche Einheiten, auf die man absolut eine Lust hat oder die durch andere Faktoren erschwert werden, gehören dazu. Bei gut vier Monaten Vorbereitung sammeln sich da aber ein paar. Hinterher ist man immer froh „sein Ding durchgezogen“ zu haben, doch es zehrt auch an einem. Man macht es aber für diesen einen Moment: Das Übertreten der Marathonziellinie! Und nun bin ich endlich beim Thema. Diese Woche bin ich im Internet auf eine Nachricht zum Paris-Marathon gestoßen. Im Anhang konnte man sich ein ca. halbminütiges Video über einen Läufer ansehen, dem vielleicht ca. 100 m vor der Ziellinie die Kräfte ausgegangen sind. Der saß auf dem Boden und bemühte sich wieder aufzustehen. Die Versuche scheiterten. Es sah aus wie bei einer durchzechten Partynacht. Sternhagelvoll auf der Straße liegend. Keine Ahnung mehr wo man eigentlich ist und wie man nach Hause kommt. Zurück zum Läufer. Zwei Volunteers griffen ihm unter die Arme und gingen mit ihm durch das Ziel. Dieser eine letzte Schritte löst ohnehin schon sehr starke Emotionen aus. Keine Ahnung wie es in diesem Fall gewesen sein muss. Und nun zur Eingangsfrage: Heldenhaft oder bescheuert? Das wurde auch im Netz diskutiert. Die offiziellien Medien feierten den Läufer. In den Kommentaren waren Anmerkungen wie „Ist es das wirklich wert, in diesem Zustand zu enden?“, „Das ist einfach nur total bescheuert!“ oder „Es gibt nichts Schönes und Inspirierendes an jemandem, der einen Zusammenbruch erleidet: Dieses Video ist eine Schande!“ zu lesen.

Tja, was stimmt nun? Ja, das Video spornt Unerfahrene oder Neulinge nicht wirklich an, sondern schreckt wohl mehr die meisten ab. Aber zeigt es nicht auch, dass man bereit ist zu kämpfen um sein Ziel zu erreichen? Diese Eigenschaft kommt wie ich finde zunehmend in der Gesellschaft aus der Mode. Ich möchte mich hier auf keine Seite schlagen, sondern euch bewusst selbst Gedanken dazu machen lassen. Die Ist-es-das-wert-Frage oder Warum-macht-macht-man-das-Frage stellt man mir auch immer wieder. Auf die bin ich ja schon immer wieder mal eingegangen. Um so zu enden nicht. Aber 100 m vor Schluss aufzugeben, wenn man bereits 42,1 km gelaufen ist? Denkt auch an die ganzen Einheiten die ich euch davor beschrieben habe. Das ganze Zähnezusammenbeißen taucht in diesen letzten Metern wieder auf. Vielleicht gibt es noch einen ganz besonderen Grund den Marathon absolviert zu haben? Versetzt euch mal in die Lage! Schwer da rauszukommen wie ich finde. Die andere Seite: Ok, inspirierend oder gar schön vielleicht nicht. Aber ggf. ein Ansporn es besser zu machen? Wie gesagt, eine eindeutige Meinung gibt es dazu nicht. Wörter wie „Schande“ verbitte ich mir aber für Personen die alles gegeben und vielen Unwegsamkeiten getrotzt haben! Sowas kann, denke ich, nur von Leuten kommen, die überhaupt keine Sport-Erfahrung haben und selber den Hintern nicht hochbekommen.

So, nun ist es an euch, euch ein eigenes Bild zu machen. Was hätte noch alles Schlimmes passieren können? Wie stolz ist er nach einer Woche danach gefinisht zu haben? Muss man nicht auf die Familie Rücksicht nehmen? Beeindruckend, wenn sich jemand so durchkämpft? Ich wünsche euch viel Spaß beim Grübel, Diskutieren und Laufen. Bis demnächst mal wieder.