Mit dieser Überschrift ist der Marathon du Médoc (7.9.24) ganz gut beschrieben. Doch es wäre so schade damit schon aufzuhören, denn aus diesem Rennen laufen die Geschichten über, wie der Wein aus einem übervollen Fass. Doch der Reihe nach.

Der Marathon findet in dem Weinstädtchen Pauillac statt. Da dort ansonsten aber nicht viel zu sehen ist, haben wir uns für Bordeaux als „Stadt der Unterkunft“ entschieden. Wer hier noch nie war, sollte sich für die Stadt selbst drei bis vier Tage gönnen, durch die Straßen wandern und ein paar Museen besichtigen. Die wirklich wunderschöne Altstadt lädt sehr zum Flanieren ein. Wer kein wirklicher Museumsfan ist, der muss dennoch eines mindestens ansehen. Das Weinmuseum! Hier bekommt man nicht nur plump erklärt wie Wein gemacht wird, sondern erfährt auch alles über die Werbemaschine, das Gefühl beim Weintrinken, die Gesellschaft darum und vieles mehr. Dies wird auch auf eine tolle interaktive und sehr stilvolle Ebene getan, die sehr kurzweilig ist und alle Sinne anspricht. Um dem Geschmackssinn auch miteinzubauen, darf man sich am Ende ein Gratisweinchen auf dem Dach des Museums aussuchen und die grandiose Aussicht der Stadt bewundern. Das Museum selbst stellt ebenso einen Grund dar auf die Fototaste zu drücken, denn sie hat die Form einer Weinkaraffe. Hier ein paar Impressionen:

Am Vortag, jeder Marathoni weiß es, haben wir die Startnummern geholt. Dafür haben wir uns im Vorfeld beim Shuttlebus angemeldet. „20 – 30 min“, dachten wir, „Länger wird das nicht dauern.“ Oh doch! 90 Minuten! Einfach! Naja, überraschend war es, schlimm zum Glück nicht. Den ganzen Vormittag regnete es jedoch, als wir aber ankamen machte sich die Sonne etwas Platz bei der Stadt Pauillac und brachte eine nette Szenerie zum Vorschein. Alles „echt reizend“ aber der Zahn der Zeit hat hier und da schon daran genagt. Die Marathonbörse mit Startnummernausgabe und Werbezelten fand an und in einer älteren Turnhalle mit Charme statt. Langsam wurde klar: „Nervös muss man nicht sein. Es wird alles halb so wild.“ Doch wirklich glauben konnte ich dem ganzen Braten oder hier besser Weinglas noch nicht. Ein paar Witzfotos gemacht, Nummern geholt, Merchandise gekauft und dann die Werbezelte angesehen. Auch das ist für uns Läufer nichts Neues. Hier und da „tolle“ Marathons. Doch die dortigen hatten alle eine Gemeinsamkeit. Neben bzw. während des Laufens gibt es Alkohol. So viele andere Weinmarathons. Wahnsinn. Für die die sagen „Auf einem Weinmarathon bin ich ja schon in Médoc.“ oder „Wein ist nicht so meins.“ kein Ding. Es gibt auch einen Bier- oder Cognac-Marathon. Zum Ideensammeln waren genügend Zelte da. Im Anschluss wollten wir mal den Start-Zielbereich ansehen. Den fanden wir sehr leicht an der Uferpromenade. Doch dort wurden keine Stände für Läuferstrümpfe, Isodrinks oder Müsliriegel aufgestellt. Wie für diesen Marathon üblich geht es zur Hälfte auch um das richtige leibliche Wohl. Stände für Wein, Entenbrust-Sandwiches, Salamisorten, Oliven, Caneles, und und und luden ein, dem Läuferdruck zu entfliehen. Auch dazu ein paar Bildchen:

Am frühen Abend kamen wir wieder nach Bordeaux zurück. Da gab es dann noch die übliche Pastaparty und fertig. Für den Lauftag klingelte der Wecker schon sehr früh (5:00 Uhr). Das Shuttle fuhr um 6:30 Uhr wieder ab. 8:00 Uhr Ankunft, 9:30 Uhr Start. Sollte also alles klappen. Hui, gerade so. Den Marathon gab es zuvor schon 37 mal. Für solche Sachen wie Abgabe von Läufertüten oder genug Toiletten sollte man also genug Erfahrung gesammelt haben. Was soll ich sagen, die Schwerpunkte lagen wohl wo anders. Um unsere Wert- und Wechselsachen abgeben zu können mussten wir vor normalen Outdoor-Spinden warten und dafür auch zahlen. Naja, blieb noch eine Stunde für die klassische „Vor-dem-Lauf“-Toilette. Waaaaahnsinn. Wer konnte der schlich sich ins Schilf, der Rest musste vor ein paar wenigen Dixis warten. Die Laune und die Temperaturen sanken. Um 9:15 Uhr waren mein Laufbuddy Jo und ich dann fertig. Mit der Toilette. Warm machen? Keine Chance mehr. Mit mäßiger Stimmung ab an den Start. Und jetzt, wo alles wichtige gemacht war, kam der Blick für den Rest. Die Mitläufer. Die Party. Das Rennen. Und sofort hatten wir ein breites Grinsen im Gesicht. So viele tolle Kostüme, dass man sich auch in ihrer Masse mehr wie auf einem Faschingsumzug fühlte. Eine wahnsinns Atmosphäre mit guten Medleys und vor dem Starttor nicht nur jemand der die Menge aufheizt, sondern zusätzlich eine fette Show. Mit Band-Artisten, die sich von Kränen abseilten, Riesenballons, die vom Rauthaus auf die Läufermasse geschmissen wurden u.v.m.

Und dann der Startschuss. Das Läuferfeld aus 64 verschiedenen Ländern setzte sich langsam in Bewegung. Und mit langsam meine ich langsam. Die ersten beiden Kilometer sind wir mehr durch den Ort spazieren gegangen als zu joggen. Die Pace bei ca. 12 min/km. Die kleinen Straßen durch Pauillac restlos mit Läufern verstopft. Wer nicht unmittelbar ganz vorne am Starttor ist, kann sich von einer guten Zeit verabschieden. Doch das ist einer der Zauber von Médoc. Die Zeit spielt keine Rolle. Schlecht ist der Run dennoch nicht. Hier nehmen nicht nur lauter Laufanfänger und Trunkenbolde teil. Die Zielzeit der Herren beträgt jedes Jahr um die 2:30 h, also nicht schlechter als die von anderen Läufen. Wer diesen Wahnsinns-Marathon jedoch mitmacht macht nach meiner Ansicht etwas falsch, wenn er ihn auf Zeit läuft. Und nun zu einer weiteren Frage, die ihr euch vielleicht gestellt habt. Was war mein Kostüm? Ich ging als Herzkönig. Jo war ein Zauberwürfel. Auf Karten-Kostüme verschiedenster Art konnte man die 42 km blicken. Weiter gab es mehrere Schwimmoutfits (sexy). Was noch? Eine Basketball-Gruppe, von denen einer einen Mini-Korb auf dem Rücken trug; der Ball dazu fehlte nicht; Badmintonspieler, die auch das Netz dabei hatten um während des Runs ein wenig zocken können; Männer die auf satirische Weise das Beachvolleyballoutfit der Frauen kritisierten. Außerhalb des Themas gab es ebenso lustige Darsteller von Schneewittchen, Casino-Puff-Betreiber (das passt eigentlich schon), Müllabfuhr, Piraten und noch vieles mehr. Jeder Meter bot beste Unterhaltung.

Kommen wir zur zweiten Disziplin. Den „Getränken“. Keine Angst, es gab alle zwei Kilometer einen Wasserstand, an dem man auch Knabbersachen, Obst und Riegel zu sich nehmen konnte. Doch außer dem Wasser hat man in Summe besser darauf verzichtet. Warum? Da bleibt für das gute Zeug sonst kein Platz mehr im Bauch. Den Wein selbst konnte man meistens auf dem Chateau-Gelände selbst verkosten. Wer viele Schlösser sehen möchte muss hier teilnehmen. Wer ein König ist, ist ein Idiot, wenn es nur darum geht gut zu hausen. Viel zu viel Arbeit. Mach in Wein, das Schloss ist mindestens genauso gut. In den Chateaus gab es dann stets auch eine Band, die zum Party machen einlud. Und nicht vor dem vielen Wein erschrecken. Jeder Becher oder Glas war maximal nur ein zu einem Viertel voll. Unser Anspruch war es dennoch, von jedem Weinchen etwas zu kosten. Wobei, das stimmt nicht ganz. Der Anspruch war, sämtlichen Angeboten zu kosten! Von Schluss zu Schloss schlängelten sich die kostümierten Läufer dann durch die Weinreben und -straßen. Nach den ersten sechs Chateaus – also sechs Weinchen – habe ich schon ein leichtes Schwanken bemerkt. Durch Nutzung des reichlichen Wasserangebots stellte dies aber kein Problem dar. Mein Highlight bis dahin? Den Wein direkt aus dem Zapfhahn trinken =P. Da die Strecke eine Art hässliche Acht war, waren wir direkt zur Hälfte wieder in Pauillac zurück. Dort schoben wir neben dem Wein auch ein kurzes Fotopäuschen mit unseren Fans ein. Zuvor sagte ich, dass die Zeit keine Rolle spielt. Dies tat sie mittlerweile wieder, denn ich dachte mir, dass es schon schade ist, dass der halbe Lauf schon vorbei ist. Die zweite Hälfte war jedoch noch spektakulärer. Immer häufiger kam es vor, dass bei den Musikgruppen und Weinzelten das Laufen kurz vergessen und einfach eine Weile getanzt wurde. Klar, weshalb auch nicht. Noch eine Spezial-Story? Klar doch! Zwei Chateaus auf dem zweiten Abschnitt boten Massagen an. Wieso bis zur Finishline darauf warten? Dieses Angebot schlug unser Stolz jedoch aus. Dennoch, soooo unfassbar viel Spaß.

„Ja ja, die haben bestimmt zum Schluss gemerkt, dass das nicht so gut war.“ denkt sich nun vielleicht die eine oder der andere. Auf den letzten 10 km eines Marathons kommt ja stets der Mann mit dem Hammer. Der wurde aber auch zum Mitmachen und Verkleiden eingeladen. Der Hammermann suchte sich dabei das Kostüm eines Obers aus und vertauschte seinen Hammer mit einem Tablett. Denn die Zeit, die zusätzlich noch geopfert wurde, wurde in Schlemmereien investiert. Ab Kilometer 30 begann das erste Chateau mit Käse, Wein, Fritten und Bier. Ob wir das auch gekostet haben? Das habe ich doch zuvor gesagt: Alles kommt in den Mund!!! Caneles to go, Bratwurst, Steak, nochmal ein Bierchen, ein Stand mit Weiß-, Rosé- und Rotwein, ja es ging fast nicht besser. Den zweiten Weißwein gab es jedoch zu einer besonderen kulinarischen Spezialität. Frische Austern! Die hatte ich davor noch nie gekostet. Wie die so sind? Sagen wir, es gab danach noch eine Zweite. Für die letzten beiden Kilometer erhielten wir dann noch ein Eis und dann war es so weit. Der tragische Moment kam. Wir durchliefen die Ziellinie. Noch nie habe ich mir so sehr noch mehr – und zwar viel mehr – Kilometer gewünscht. Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber dieser Marathon hat unendlich viel Spaß gemacht. An dieser Stelle danke ich meinem belgischen Laufbuddy Jo, den ich beim Marathon in der Mongolei kennengelernt habe, auf das aller herzlichste für eine fantastische Zeit in Frankreich.

Nach dem Ziel wurde es dann etwas schwerer. Wir bekamen nämlich viel Gewicht, welches wir dann schleppen mussten. Einen Rucksack, in den wir unsere Flasche Wein und einen Becher dazu hineinstecken konnten. Als Geschenk! Den Becher nutzten wir aber erst einmal für unser „After-Run-Beer“. Für unsere Massage blieb leider keine Zeit mehr, denn der Bus fuhr bereits eine Stunde nach unserer Zieleinkunft ab. Nichtsdestotrotz konnten wir die Atmosphäre noch einmal schön aufsaugen, was auch am Wetter lag. Zum Großteil des Laufs war es sehr wolkig, was sich mit unseren Kostümen temperaturmäßig allerdings sehr ausgeglichen hat. Die finalen 10 km und unsere Zeit nach dem Rennen durften wir dann unter blauen Himmel laufen. Unendlich happy stiegen wir in den Bus zurück nach Bordeaux ein. Gerne hätten wir weiter vor Ort gefeiert. Dies holten wir allerdings für uns in Bordeaux nach. Irgendetwas fühlte sich jedoch bei mir am Abend und auch am Tag danach merkwürdig an. Ich konnte super schlafen (bei nach einem Marathon normalerweise unüblich) und konnte Treppen laufen. Schnell. Hoch und runter und ohne komische Figuren zu machen. Ja, die geringe Pace hat sich wohl an einer Stelle bezahlt gemacht. Meinem Körper ging es immer noch super.

Und ja, letztendlich kommen noch die harten Zahlen. 24+ Becher/Gläser Wein, 3 Becher Bier, 2 l Wasser, Käse, Bratwurst, Steak, Austern, Canele und Eis. Gelernt habe ich tatsächlich auch und zwar was Wichtiges. Der Marathon hat sich aufgrund der Pace (insg. knapp unter 8 min/km) nur mäßig auf meinen Körper ausgewirkt. Der Ultra-Marathon, den ich ja einmal laufen möchte, jagt mir daher wesentlich weniger Angst ein als vor dem Weinlauf (Mut angetrunken?). Bis zum Ziel haben wir 5:56.03 h benötigt, was Platz 2476 von 8500 Läufern bedeutet. Somit waren wir immer noch im ersten Drittel dabei. Dies zeigt auch wieder, wieviel Freude Médoc gemacht hat. Sowas brauche ich wieder. Sowas solltet ihr auch ausprobieren. Sowas ist super.

Habt nun auch viel Spaß beim Laufen und bei der „Nachbereitung“. Vielleicht habt ihr ja ebenso Lust eine Kleinigkeit für den WWF zu spenden. In diesem Sinne: Prost!