Man könnte manchmal meinen, dass zum Laufgewand ein sog. Kummerbund gehört, denn vor, während und nach dem Laufen gibt es von einem genug: Sorgen!
Zuletzt, beim Wings For Life Worldrun, konnte ich die Gesellschaft meiner Freundin und ihrer Arbeitskolleginnen genießen, die ebenfalls daran teilnahmen. Dabei wurde über die vielen Nöte zum Lauf gesprochen und diskutiert, wobei ich teilweise still in mich hineinlachen musste. Nicht weil deren Probleme so belanglos und lächerlich waren, sondern weil sie so ziemlich jeder hat. Egal wie trainiert und erfahren der- oder diejenige ist. Vielleicht nicht alle auf einmal oder in gleicher Stärke, aber sie sind da. Beispiele gefällig?
Es fängt bereits schon vor dem Lauf an. Nein, nicht die Minuten und Stunden davor. Tage! Habe ich gut genug trainiert? Habe ich kurz vor dem Wettkampf zu viel trainiert? Wie wird das Wetter, denn ich benötige ja die passende Laufbekleidung? Was essen wir am Abend zuvor? Ach herrje, wie haben keine Pasta für die Pastaparty mehr daheim. Ein wenig erinnern diese Probleme, wie die eines Schauspielers. „Unter diesen Bedingungen kann ich nicht arbeiten. So nicht. Das steht nicht in meinem Vertrag!“ Diese Probleme lassen sich aber ja mit genügend Vorlaufzeit in den Griff bekommen.
Die Stunden vor dem Lauf: Wann fahren wir los? Wir dürfen nicht zu spät kommen, denn sonst bekommen wir keinen Parkplatz oder der, den wir noch bekommen steht ewig weit weg. Wenn wir im Stau stehen, schaffen wir es noch rechtzeitig zur Startnummernausgabe? Puh, die Schmetterlinge im Bauch erwachen langsam. Aber ruhig Blut. Es wird schon alles. Oder? Oh nein, habe ich daran gedacht meine Laufuhr und meinen MP3-Player aufzuladen? Ich habe meinen Geldbeutel noch bei mir. Schaffe ich es noch zum Auto um die Geldbörse ins Handschuhfach zu zwängen? (Die letzte Frage wurde so ähnlich beim WFL ca. drei Stunden vor dem Startschuss gestellt) Häufig geht man auf Nummer sicher. Die Schmetterlinge konnten beschwichtigt werden. Aber rumort da jetzt etwas anderes im Bauch? Das Frühstück? War die zweite Toastscheibe zu viel? Oder hätte ich einfach Wasser statt Kaffee trinken sollen? Ja ja, dieses Frühstück hat es in sich. Noch schwieriger wird es, wenn der Lauf erst mittags startet. Darf dann nochmal etwas gegessen werden. Ist ein Sandwich ok oder sollte man sich mit einem Protein-Riegel begnügen? Ein Gutes hat so eine kleine Mahlzeit zuvor aber auf jeden Fall. Es geht Zeit vorbei. Wenn um 11 Uhr die Nummernausgabe endet und der Lauf um 13 Uhr beginnt, gilt es noch ein paar Minütchen zu überbrücken. Laufen wir doch etwas durch den Merchbereich und schauen uns die ganzen Buden mal an. Aber es regnet. Sollen wir trotzdem schauen? Wenn wir jetzt schon nass werden… Dürfen wir überhaupt schon… laufen? Ok, vielleicht ein klein wenig. Aber nicht zu viel! Nicht, dass wir während des Wettbewerbs keine Körner mehr haben. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Und dann ist es soweit. Die letzten sechzig Minuten kommen. Erst noch einmal auf das Klo. Oh nein. Eine Schlange. Schaffe ich es noch rechtzeitig zum Startschuss? Diese Sorge kann eingetauscht werden durch die Quängelfrage „Wann gehe ich auf die Toilette, so dass wenig Leute anstehen, ich aber kein zweites Mal mehr vor dem Start auf´s Töpfchen muss?“ Die Chancen stehen übrigens 50/50 dass das klappt. Danach gilt es, sich aufzuwärmen. Doch wieviel? Wann hört man damit auf, um sich einen guten Startplatz zu sichern? Und, wann schalte ich meine Laufuhr ein, so dass mich das GPS noch rechtzeitig findet? Wenn ein paar hundert oder tausend andere das gleiche tun, kann dies etwas Zeit in Anspruch nehmen.
„Peng!“ Startschuss. Und aus Regenwetter wird Sonnenschein. „Mist, ich bin zu warm angezogen.“ Aus Sonnenschein wird Regenwetter. „Mist, ich bin zu dünn angezogen.“ Doch dem Equipment-Teufel kann man in der Regel leicht entkommen. Wenn man ihm jedoch entkommen ist, stellt sich wieder die nächste Frage: Bin ich ihm zu schnell entronnen? Passt meine Pace? Muss ich das später büßen? Ich habe eine Idee, ich nehme einfach ein Hydro-Gel zu mir, dann ist alles wieder gut. Oder habe ich dann später keines mehr? Huiuiui, es wird nicht leichter.
Irgendwann und irgendwie kommt man dann doch immer ins Ziel. Die Welt scheint ok, bis man nach der Zeit gefragt wird und sich herausstellt, dass der Fragende nur ein paar Sekunden schneller war als man selbst. Das Maschinengewehr der Fragen wird wieder abgefeuert. Hätte ich mich nicht noch etwas mehr zusammenreißen können um vor ihm durch das Ziel zu kommen? Oder hätte ich noch mehr trainieren können? Habe ich zu viele Bögen geschlagen? Wir werden es nie erfahren.
Warum macht man bei so einem Lauf mit? Das ist doch purer Stress? Es scheint fast so, als ob man hinterher genau wegen diesem Psychoterror so kaputt ist und nicht wegen der sportlichen Anstrengung. Naja, wenn man all das bewältigt hat, dann wird man vom Stolz durchströmt. Reiner. Purer. Fabelhafter. Stolz. Das Grundnahrungsmittel für sein Ego. Man kann voller Freude berichten, bei etwas Besonderem und Großartigem teilgenommen zu haben. Diese Freude lässt sich auch prima mit seinen evtl anwesenden Lauffreunden, seinen Unterstützern und Freunden teilen. Wundervoll. Und genau sowas möchte man doch. Wo wäre der Reiz teilzunehmen, wenn es so einfach wäre? Man macht ja schließlich mit, um etwas zu erleben. Und eben darum sind sie so toll, diese Sorgen. Viele schöne sorgenreiche Läufe ;-). Bis zum nächsten Mal.
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